Im vom Gericht entschiedenen Fall hatte sich die Klägerin auf eine Stelle als Zugbegleiterin im Fernverkehr beworben. Sie erhielt jedoch eine Absage vom Bahnunternehmen. Zuvor hatte sich die Klägerin schon mehrfach bei demselben Arbeitgeber beworben. Sie hatte bei einer früheren Bewerbung sogar bereits einen Einstellungstest für Zugbegleiter absolviert, war aber erfolglos geblieben. Nach der erneuten Absage machte die Klägerin die Beschäftigung als Zugbegleiterin gerichtlich geltend, hilfsweise eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Sie behauptete, nur wegen ihrer Körpergröße von 1,55 Metern nicht zu einem Einstellungsgespräch eingeladen worden zu sein. Dies habe ein Personalreferent gegenüber einem Betriebsrat so erklärt. Ein anderes Betriebsratsmitglied habe ihr das bestätigt. Der Arbeitgeber behauptete hingegen, die Körpergröße habe keine Rolle gespielt. Die Klägerin sei aus anderen Gründen nicht qualifiziert gewesen. Allerdings sei die Klägerin mit ihrer Körpergröße objektiv tatsächlich nicht als Zugbegleiterin geeignet. Der Arbeitgeber äußerte zudem Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Bewerbung.
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg hat den Arbeitgeber zur Zahlung von zwei Monatsgehältern als Entschädigung verurteilt. Die Argumente des Arbeitgebers seien nicht überzeugend. Tatsächlich sei die Klägerin objektiv für die Stelle geeignet gewesen. Ein wichtiges Indiz war, dass der Arbeitgeber die Klägerin nicht einmal zum Eignungstest eingeladen hatte. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die Klägerin nun nicht mehr geeignet sein sollte, wenn sie es bei ihrer letzten Bewerbung offenbar noch war. Der Arbeitgeber habe die Klägerin daher mittelbar wegen des Geschlechts benachteiligt. Er habe die Ablehnung auch auf die geringe Körpergröße gestützt. Eine bestimmte Körpergröße als Einstellungsvoraussetzung kann Frauen mittelbar diskriminieren. Ist die geforderte Körpergröße nicht sachlich gerechtfertigt, liegt darin eine Benachteiligung gegenüber Männern, die im Durchschnitt größer sind. Für einen Zugbegleiter ist die Körpergröße kein sachliches Kriterium.
Der Personalreferent, der dies dem Betriebsrat mitgeteilt hatte, war in dem Verfahren als Zeuge vernommen worden. Dabei hatte er eingeräumt, dass die Körpergröße eine Rolle gespielt hatte. Für den Entschädigungsanspruch ist es ausreichend, wenn der einer von mehreren Ablehnungsgründen unzulässig ist. Die Körpergröße ist kein grundsätzlich verbotenes Merkmal nach § 1 AGG. Das heißt: sie darf bei Auswahlentscheidungen herangezogen werden. Vorausgesetzt, dass es für die Heranziehung des Merkmals einen sachlichen Grund und ein berechtigtes Interesse gibt. Den gab es im Fall der abgelehnten Bewerberin aber gerade nicht.
LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 29.04.2016 - 19 Sa 45/15