Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 27. Juni 2018 – IV ZR 201/17 festgestellt, dass  die Regelungen des § 56a Abs. 3, Abs. 4 VAG und § 153 Abs. 3 VVG nach seiner Ansicht verfassungskonform sind aber den zugrundeliegenden Rechtsstreit wieder an das vorinstanzliche Gericht zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.

Dem Prozeß liegt die Frage zugrunde, inwiefern Kunden einer schon länger laufenden Kapitallebensversicherung an den so. Bewertungsreserven zu beteiligen sind.

Die laufende Verzinsung einer Lebensversicherung setzt sich aus dem Garantiezins und dem laufenden Zinsüberschuss zusammen, über den Versicherer je nach Wirtschaftslage und Erfolg ihrer Anlagestrategie jedes Jahr neu entscheiden.

Bislang sank der Garantiezins für Neuverträge stetig und liegt seit 01. Januar 2017 bei nur noch 0,9 Prozent. Für alte Policen gelten demgegenüber noch die hohen Zinsen von bis zu 4 %.

Auch der laufende Überschuss sinkt seit längerer Zeit ganz erheblich, da es den Versicherungsgesellschaften immer schwerer fiel, die vertraglich zugesicherten Garantieverzinsungen auch zu erwirtschaften.

Am Ende der Vertragslaufzeit der Kapitalllebensversicherung sollten dem Kunden vertragsgemäß zudem noch der Schlussüberschuss und die Beteiligung an den Bewertungsreserven ausgezahlt werden.

Richtschnur für die Entwicklung sind die Erhebungen der Ratingagentur Assekurata. Danach ist die Gesamtverzinsung von Neuverträgen der privaten Rentenversicherung seit 2008 im Schnitt von 5,06 Prozent auf 3,10 Prozent in diesem Jahr gesunken. Bewertungsreserven werden von der Ratingagentur mit Null angesetzt.

Bewertungsreserven entstehen grundsätzlich, wenn der Marktwert einer Kapitalanlage des Versicherers über dem Anschaffungswert liegt.  Das ist bei festverzinslichen Papieren immer dann der Fall, wenn die Zinsen sinken – dann steigt der Wert älterer Papiere mit höherem Zins. Wenn ein Kunde vor Ablauf der Police durch Kündigung ausschied, waren diese bis 2014 an diesen Buchgewinnen zur Hälfte zu beteiligen .Durch die zurzeit niedrigen Zinsen sind die Kurswerte für ältere Staatsanleihen stark gestiegen, da diese höher verzinst sind als jetzt ausgegebene Staatsanleihen. Hier sind hohe Bewertungsreserven entstanden, die die Versicherungsunternehmen an die Kunden, deren Verträge auslaufen oder gekündigt werden, auszahlen müssten. Dagegen wehrten sich die Versicherungen mit dem Argument, in der jetzigen Niedrigzinsphase die Garantieleistungen für ältere Lebensversicherungsverträge nicht mehr erfüllen zu können.

Die Bundesregierung  hat daher die Bestimmungen des § 56a Abs. 3, Abs. 4 VAG und § 153 Abs. 3 VVG geändert, sodass die Versicherer nunmehr nur noch zur Auszahlung der Kundenanteile der Bewertungsreserven verpflichtet sind, wenn andere Garantiezusagen für die restlichen Versicherten sicher sind. Das verändert die Beteiligung von ausscheidenden Kunden im Rahmen der Beteiligung an den Bewertungsreserven nicht unerheblich. Begründet wurde die Gesetzesnovelle, die pikanterweise 2014 währedn der Fussballweltmeisterschaft durch den Bundestag gebracht wurde mit den Interessen des Allgemeinwohls die Kappung bei Bewertungsreserven rechtfertigen würden. Hiergegen erhob sich vor allem von Verbraucherschutzverbänden erheblicher Wioderstand, da den Versicherungsunternehmen ein Schlupfloch eröffnet wurde, die in der Vergangenheit beworbenen Garantiezinsen aus einem ursprünglich dem Versicherungsnehmer zur Hälfte zustehenden Topf quer zu finanzieren, also der Versicherungsnehmer für schlechtes Wirtschaften bzw. nicht ausreichende Rücklagenbildung mithaftete. Der folgende Rechtsstreit zog sich durch alle Instanzen und landete letztendlich beim BGH.

Dieser hat in seiner Entscheidung vom heutigen 27. Juni 2018 – IV ZR 201/17 – diese Gesetzesänderung als rechtmäßig beurteilt.

Es müsse an erster Stelle sichergestellt sein, dass die Garantiezusagen für alle Versicherten trotz andauernder Zinsflaute dauerhaft eingehalten werden können. So hatte das Landgericht Düsseldorf als Vorinstanz mit Urteil vom 13.07.2017, 9 S 46/16 bereits zur sog. unechten Rückwirkung der Gesetzesänderung des VVG bzw. VAG ausgeführt. Die Regelungen des § 56a Abs. 3, Abs. 4 VAG und § 153 Abs. 3 VVG seien verfassungskonform. Sobald die Rechtsfolgen einer neu geschaffenen Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, liegt eine sog. unechte Rückwirkung vor. Durch die Neuregelung verfolgte der Gesetzgeber gewichtige Interessen des Allgemeinwohls gegenüber Lebensversicherern, die von ihnen vertraglich zugesagte Garantiezinsen nicht mehr erwirtschaften konnten. Es ist dabei auch zu berücksichtigen, dass die Bewertungsreserven erst zum Ende des Vertragsverhältnisses in ihrer tatsächlichen Höhe benannt werden können und die Versicherer, wie vorliegend, die Versicherungsnehmer hierauf üblicherweise auch hinweisen. Dementsprechend dürfe der Versicherungsnehmer nicht darauf vertrauen, dass er eine Beteiligung an den Bewertungsreserven in der zuvor in Aussicht gestellten Höhe erhält. In wiefern hier die Interessen des "Gemeinwohls" mit den Interessen der Versicherungswirtschaft deckungsgleich sind, wird ggf. durch das Bundesverfassungsgericht noch zu klären sein. Der BGH hat ausgeführt, dass eine Kürzung des Anteils des Versicherungsnehmers an den Bewertungsreserven nur zulässig ist, wenn das Versicherungsunternehmen nachweist, dass es anders seine Garantiezinsversprechen nicht mehr erfüllen kann. Dieser Nachweis dürfte eine sehr spannende Frage werden, wenn man die Dividenden und die Bonuszahlungen an Management und Anteilseigner im Hinterkopf hat, die ja trotz der andauernd schwierigen Zinslage noch ausgeschüttet wurden.

Aufgrund dieses Urteils müssen Kunden solcher Produkte mit weiteren Verzinsungseinbußen rechnen, prüfen Sie daher vor einer eventuellen Kündigung einer Police die genauen Rückzahlungserwartungen.

Dieser Beitrag stellt keine Rechtberatung dar, sondern dient der Vorstellung der Rechtsberatungsdienstleistungen der Kanzlei Wiebusch Rechtsanwälte, Leopoldshöhe. Für Richtigkeit und Vollständigkeit der Ausführungen wird daher nicht gehaftet.